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San Bernardino, Cordillera, Paraguay
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Mittwoch, 24. Dezember 2014

Ein Paraguay ohne Haftpflicht

Paraguay: keine Versicherung bei Unfällen. Wie sieht's unter den Nachbarn aus? Warum hat die Pflichtversicherung keinen Fuss im Land fassen können? Woran hat es gelegen? Braucht man überhaupt eine Versicherung in Paraguay? Wo liegen die Schwerpunkte dafür oder gegen eine Pflichtversicherung?

En Español
Die Republik von Paraguay ist eines der gar nicht wenigen Ländern in Lateinamerika, wo es keine sogenannte Haftpflicht, bzw. vorschriftliche Kraftfahrzeug-Versicherungen, gibt. Wie in sehr vielen Erlebnis-Blogs oder anderen Privateinträgen an die Öffentlichkeit, gelesen, sind Verkehrsunfälle mit extremen Personen- und auch Sachschäden, in Paraguay keine Seltenheit. Es kursieren immer wieder einige Handyaufnahmen von blutigen und sehr makabren Opfern bei Verkehrsunfällen. Die Auffassung, dass es sich bei den schrecklichsten und auch verhängnisvollsten Unfällen, um Motorrad- und anderen Zwei-, bzw. Dreirädern, handelt, ist weitaus vertreten. Man kann selbst erahnen, dass wenn bei einer Kollision zwischen einem Motorrad und einem Auto, 5 Menschen gestorben sind, es sich
Bild: Ultima Hora
wohl um mehr als 2 Passagiere auf dem Motorrad gehandelt haben muss. Sieht man noch die vielen veröffentlichten Bilder im Netz, wie z. B.: sechs oder sieben Personen auf einem verrosteten Moped, usw., so braucht man sich einfach nur eine Stunde an eine Hauptkreuzung einer x-beliebigen Stadt zu setzen, um hunderte von Verkehrs-Vergehen zu beobachten. Kinder werden in "Dixan"-Trommeln oder Eimern, haltend, mitgefahren, oder einfach auf den Tank gelegt; die existierende Helmpflicht scheint wohl nur für den Fahrer zu gelten, wenn überhaupt; meistens hoffnungslos-überladen; oft noch ohne Nummernschild oder Licht, und noch so viele andere gefährliche Vergehen, die am Ende jedes Jahres dem paraguayischem Staat, bzw. Steuerzahler, circa 20 Mio. US-Dollar kostet. Man schätzt, dass es jährlich circa 1.200 Tote gibt, wovon rund 70% Motorradunfälle sind.

Nun denn, das Alltagsbild des paraguayischem Verkehrs ist relativ chaotisch, und als Europäer hat man es nicht gerade leicht, sich klar und deutlich auszukennen oder alles komplett richtig
Bild: ABC (2014)
auszuführen. Viele weitere Faktoren, wie ein weitaus unangemessenes Transportsystem der öffentlichen Busse u. Co., ein bröckelndes und kaum-existierendes Strassenbausystem, und ein flächendeckendes, fehlendes Strassenverkehrs-Bildungssystem. Auch sehr verbreitet erscheint die eher auffallende "Unlust" der Polizisten u. Dergl., solchen Zuständen irgendwie ein Ende zu setzen; vielleicht ist man ein wenig ungnädig, denn die Bezahlungen und Materialien mit denen diese relativ spartanisch-ausgerüsteten Polizisten arbeiten müssen, sind meistens viel zu unangemessen. Trotzdem, man beobachtet und hört sehr oft über die noch existierende und noch sehr aktive Korruption öffentlicher Beamte, wodurch sich das Land seit bereits Jahrzehnten auf der "roten Liste" der vereinten Nationen, befindet.

Wie sieht's unter den Nachbarn aus?

Bezieht man sich auf die Ländergemeinschaft des "Mercosur" (Gemeinsame Markt Südamerikas), also Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, und seit 2012 auch Venezuela, so kann man fast sagen, dass Paraguay die grosse Ausnahme ist, obwohl in Uruguay u. Venezuela zwar die rechtliche Grundlage vorliegt, aber sich die Durchsetzung noch sehr in Grenzen hält. In Uruguay, Venezuela und Paraguay erwägt man bereits seit längerer Zeit, eine Art KFZ-Pflichtversicherung einzuführen, hat sich aber leider noch nicht bis jetzt durchsetzen können. Auch in Bolivien gedenkt man bald etwas zu unternehmen. Schliesslich kann man sagen, dass unsere direkten Nachbarn Brasilien u. Argentinien auf der Pflichtversicherung bestehen, und Bolivien zwar voraussichtlich auch, aber es noch keine endgültige Entscheidung gegeben hat. Das Resultat: möchte man in den Mercosur-Ländern mit eigenem Auto reisen, so muss man mindestens eine zeitweilige Pflichtversicherung, mit grüner Karte, mit sich führen; abgesehen von den verschiedenen Sachen, die man im Auto mit sich führen muss (Leichentuch ist in Argentinien NICHT Pflicht, schon aber die reflektierenden Westen; in Brasilien widerum sollte man den "Alkohol mit einer Blech- oder Metaldose" mit sich führen, damit man in der Dunkelheit ein Warnsignal an andere Fahrer setzen kann; usw.) Endlich, könnte man fast sagen, dasss die meisten Regeln zwar ganz "normal" erscheinen, aber immer noch einen realen Horror für Diejenigen darstellt, die auch ihren Führerschein NICHT für 2 US-Dollar beim Rathaus haben knipsen lassen, oder sogar mal ein Prüfungsbogen, bzw. -Buch, gesehen oder gar besessen haben, usw.

Aber, nun wollen wir aber mal nicht den Teufel an die Wand malen!, denn auch in Brasilien und Argentinien gibt es Gegenden, in denen es ganz schön "heiss her geht", und man ebenso sagen könnte, man habe seinen "Lappen" einfach mal beim Gemeinde-Fruchtsalon auf dem Wühltisch gefunden.

Mexico ist in der Welt bereits wegen der vielen Überfälle und der Strassenunsicherheit, mehr als bekannt; Honduras und Paraguay sind klassische Beispiele mit ihren "tollen Strasen", die mit dem Bevölkerungswachstum und der wachsenden Ökonomie einfach nicht mithalten können, usw.

Länder wie Mexico, El Salvador, Guatemala, Honduras und sogar noch Uruguay, haben ebenfalls den Schritt zur KFZ-Pflichtversicherung nicht gewagt, obwohl es in Einigen bereits die ersten Anlässe hierzu gegeben hat. Beispiel: Paraguay.

Warum hat die Pflichtversicherung keinen Fuss im Land fassen können?

Paraguay hatte bereits am Anfang 2013 "mit der Idee gespielt", und bereits im Mai 2013 lag man einen entsprechenden Gesetzesentwurf, bei der Abgeordnetenkammer von Asunción, vor. Also, woran hat es gelegen? Nun denn, um eine annähernde Antwort auf diese Frage zu bekommen, hilft es natürlich sehr sich ein eigenes Bild des öffentlichen Verkehrs zu machen: ohne Hintergründe und Fakten zu kennen, kann man bloss unbegründete Kritiken in die Welt setzen.

Der Verkehr in Paraguay,- aber bereits in beinahe gesamt Südamerika-, wird gerne als chaotisch, laut und relativ unkontrolliert, beschrieben. Viele private Blogs, Profile auf den sozialen Seiten, und die immer wieder auftauchenden Verkehrsbilanzen geben ein sehr trauriges Bild von sich: eine sehr hohe Anzahl an Verkehrstoten, und beinahe 3/4 der Opfer sind Motorradfahrer. Weiterhin fällt einem auf, dass trotz der anhaltenden Verkehrskontrollen, extrem viele Autos, Motorräder und sogar die öffentlichen Busse, so verkehrstüchtig aussehen, wie die Gefährte bei manchem Seifenkistenrennen. Keine Lichter, kaum Blinker, manchmal kaum Bremsen, usw; ausserdem beobachtet man eine sehr weitgehende und mangelnde Verkehrsbildung: kaum irgendeine Ahnung über Vorfahrtsregeln, man respektiert keine Halte- oder Zebrastreifen, Kreuzungen oder Schilder, usw.

Ein weiterer Fakt ist, dass der Grösstteil der Bevölkerung niemals eine Fahrprüfung haben machen müssen (obwohl es Pflicht in der Hauptstadt ist), noch wurden die Autos von einer TÜV-ähnlichen Institution begutachtet. Ausserdem, trat bereits das umstrittene TÜV-Gesetz, am Anfang 2011, in Kraft, wonach sich die Fahrzeughalter zu eine der damals noch 8 existierenden Stellen, begeben mussten (Bis Ende Februar 2012 gab es bereits 18 Stellen). Bis Mitte 2012 erhöhte sich die Empörung gegen die umstrittenen Gesetze, und Proteste u. Einsprüche kündigten sich beinahe laufend, an. Am 5. Juli 2012, stellte der oberste Gerichtshof das umstrittene TÜV-Gesetz ein, welches erst wieder nach dem "Regierungswechsel" zu Federico Franco, im 2013, leicht modifiziert wieder in Kraft trat. Nach wieder längerem "Hin und her", pendelten sich die TÜV-Prüfungen ein,- trotz noch vieler Streitigkeiten zwischen den Gemeinden und auch unter den TÜV-Anbietern-, und Ende des Jahres wurde ein weiteres Projekt nun bald rechtlich gültig: die SOAT-Pflichtversicherung für die Personenschäden Dritter, um auch die extrem belasteten Staatskassen zu entlasten. 2014 begannen also wieder neue Streitigkeiten und Unstimmigkeiten zwischen beinahe allen involvierten Sektoren, und man verschob mehrere Male die Einführung der Pflichtversicherung. Manche Gemeinden verlangten wehement die SOAT (Mitte April waren es schon 9), bis aber schliesslich das Gesetz 3850, durch den Präsidenten Cartes, ausser Kraft gesetzt wurde. Nun schmiedete man an einem neuen Gesetzesentwurf, um die Sache nun ein-für-alle Mal zu klären. In der 2en Hälfte des 2014 wurde dann auch wieder das TÜV-Gesetz um 1 Jahr verschoben, und zuletzt hat man die überarbeiteten Gesetze und Entwürfe, weitreichend liegen gelassen. Zuletzt, wurde der Versicherungsbund der SOAT, am 14.10.2014, nach Rückzahlung der bereits-geleisteten Beiträge, aufgelöst.  Die Zulassungen wurden meistens fortwährend von den Gemeinden, ohne jegliche Fahrzeugabnahme, oder Vorlage des TÜV-Zertifikates, herausgegeben. In sachen Verkehrslage und Strassenkonditionen reicht es bereits vollkommen aus, die Krater und Löcher auf mehr als einem laufenden Kilometer zu zählen; sich jedesmal zu beruhigen, wenn man sich seine "Autowanne" an irgendwelchen "Lomadas" (Strassenanhöhungen zur Geschwindigkeitskontrolle) aufreisst, oder einfach nur "vom Glauben abfällt", wenn man in der Innenstadt bei stockendem Verkehr von einem Düsenjet auf Rädern überholt wird (natürlich öfters ohne Helm und in Flip-flops)

Die "Sache", bzw. der neue Gesetzesentwurf 2013 im Senat (später 2014 durch Cartes), bekam bereits eine halbe Sanktion, und das Parlament lies sich äusserst viel Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Es waren zwischendurch sehr viele weitere Hürden zu bewältigen. Der nationale Versicherungsbund argumentierte, dass die "TÜV-Pflicht" weitgehend in den Händen der Gemeinden belassen wird, und man bei fehlenden TÜV-Werkstädten auch das "alte Bild" immer wieder sieht: die Fahrzeugsteuern, bzw. -Anmeldung, wird ohne jegliche Prüfung,
Karikatur von Nico Espinosa (www.nicoespinosa.com)
Karikatur von Nico Espinosa
anstandslos ausgestellt. Hierzu muss gesagt sein, dass die Zustände in vielen Gemeinde-Verkehrsbüros erschreckend unprofessionell und oft rechtswidrig gehandhabt werden. Die Versicherungen wollten natürlich keine Fahrzeuge versichern, die auch nicht bewiesen fahrtüchtig sind, wodurch man die S.O.A.T. (Pflichtversicherung für die Personenschäden Dritter) entsprechend niedrig hielt, da man nur den benötigte Personenschutz, bzw. die Krankenhaus- und Teilkosten der Opfer, decken sollte. Dann gab es sehr viele Probleme mit den Autofahrern, welche argumentierten, dass die Unfälle mit Personenschaden oder Menschenopfern doch überwiegend (über 75%) durch Motorradfahrer verursacht werden, und die Beiträge auch proportional Dazu errechnet werden müssten. Die TÜV-Werkstädten des Landes wurden erweitert und komplett modernisiert, während bereits das Gesetz zur TÜV-Prüfung aktiv wurde: die ersten 3 Monate (Endungen der Nummernschilder wurden über die Monate des Jahres verteilt) waren bereits dran, und mussten sich ihre TÜV-Plakette besorgen, um auch somit die Fahrzeugsteuern bezahlen zu können, und dann auch die benötigte SOAT-Versicherung zu abonnieren (SOAT dauerte noch, aber bereits in Gemeinden wie Asunción u. Luque wurden SOAT-Versicherungen kassiert) Dann kam aber gewalltig Etwas dazwischen: die geteilten Meinungen der Bevölkerung über die Pflichtversicherung, die oft nicht existenten oder mangelhaften TÜV-Stellen, und die flächendeckende Unlust über die zertrümmerten Strassen, wurden nun zu laut. Das Parlament verwarf die TÜV-Pflicht vorerst mal, und vertagte die Einführung auf das nächste Jahr, also 2014. Die betroffenen Fahrer, die bereits legal gezwungen waren ihre TÜV-Prüfung zu machen, bekamen natürlich keine Entschädigung noch Vergütung; andererseits, zahlte man die Beiträge der SOAT zurück.


Schliesslich wiederholte sich die Geschichte in ähnlicher Form, nur Diesmal mit neuen, anderen Komplikationen. Die Strassenzustände wurden noch katastrophaler, die geplante Renovierung der öffentlichen Transportmittel hatte auch ziemlich gescheitert, und die Maut auf den Hauptverbindungsstrassen (Rutas) wurde einfach verdoppelt.

Hier noch die Nachrichtenüberschrift-Sammlung zum Thema: "Versicherung in Paraguay"

 Nun, braucht man eine Versicherung in Paraguay?

Diese Frage erscheint eigentlich ganz klar und deutlich: JA. Sie brauchen eine Versicherung, und wenn es sich nur um eine "normale" Haftpflicht handelt. Natürlich sind Versicherungen nicht Jedermanns Sache, aber es empfiehlt sich zumindest als Neuankömmling oder Zuwanderer, sein Fahrzeug versichern zu lassen. Die Gründe sind einfach: meistens beherrscht man am Anfang weder die Sprache, noch den Verkehr sehr gut, wodurch ein Versicherungsagent und Versicherungsschutz schon das eine oder andere Bagatell-Problem, lösen wird. Andererseits, wenn man bedenkt, dass nicht einmal 10% des Landes eine Kraftfahrzeugversicherung besitzt, und die Armutslage noch so hoch ist, kann man sich fast denken, dass man einem "armen Mann" schlecht in die Tasche greifenkann, um seinen Schaden begleichen zu lassen. Aus Erfahrung: der "Reichere" muss meistens blechen, und der "Ärmere" sieht sogar viel zu oft einen Knast, mangels Mittel. Trotz der reduzierten Summe der ehemaligen SOAT-Versicherung, war die finanzielle Hürde von Vielen nicht möglich; man ging ja schon nicht zu einem TÜV, und man repariert doch seine "Mühle" erst wenn wieder etwas Geld flüssig ist (was bei Vielen auch sehr selten geschieht) Allein die "Fahrzeugfriedhöfe" des Landes, bzw. der Polizei, sind meilenweit mit nicht-abgeholten Motorrädern überfüllt, denn ein Neukauf oder eine Neukaufabzahlung ist nunmal billiger als die Strafe. Wie sollte man also unter solchen Umständen und Einstellungen Pflichtversicherungen einführen? Dies hätte höchstens vorab funktionieren können, wenn man nicht gleichzeitig das TÜV-Gesetz hat einführen wollen,- ohne Welches es auch kaum akzeptabel gewesen wäre eine Versicherung abzuschliessen-, und das öffentliche Strassennetz nicht schon ohnehin überfüllt und marode gewesen wäre. Es sprechen sehr viele Gründe für eine Einführung der Pflichtversicherung, wie auch für das noch-gültige TÜV-Gesetz: der sofortige Rechts- u. Versicherungsbeistand ist beim Unfall "Gold" wert; der finanzielle Schaden wird vorab von den Versicherungsgebern übernommen, und man muss bei flächendeckender Einhaltung des Gesetzes, sich kaum noch Sorgen um eine mögliche Zivilklage zu machen, sollte keine Versicherung parat sein. Andererseits, in einem Land wie Paraguay, wo die Armutsgrenzen noch so weit verbreitet und enorm sind, reden wir über "riesige" Ausgaben für den Ottonormalverbraucher. Weiterhin spricht dagegen, dass in einem Land, wo bereits seit Jahrzehnten ein chaotisches Verkehrsverhältnis besteht, man in so kurzer Zeit alle Schritte durchziehen wollte. Abschliessend sollte betont werden, dass es bereits ein grosses Umdenken in Paraguay gegeben hat, und die Bürger und Bürgerinnen sich eine Versicherung und/oder einen TÜV, regelmässig "spendieren". Alles Gute dauert halt seine Zeit, und ein solcher Prozess kann in unserem Fall noch einige Jahre dauern, obwohl die ersten Schritte bereits getan werden müssen. 

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